Das Geheimnis von Uruwashii
Oder: Sei stark wie ein Samurai!
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utig, stolz und stark. Fest entschlossen, sich jedem Kampf zu stellen und stets bereit für den Tod – durch die Waffe des Feindes oder durch die eigene. Das ist ein Samuari. Wir sehen ihn vor unseren Augen als Krieger in einer handgemachten, bunt verzierten Rüstung aus Leder und Holz mit seinen typischen Waffen, einem Bogen und einem Schwert, dem Katana. Dieses äußere Erscheinungsbild ist aber nur Fassade, wenn durch sie nicht die innere Stärke zum Ausdruck kommt.
Befindet sich das Äußere eines Samurai in Harmonie mit dem Inneren, verwirklicht sich das Prinzip des „uruwashii“. Es bedeutet Harmonie, aber auch Schönheit und bezeichnet das Idealbild eines Kriegers. In diesem Prinzip stellt das Innere die Essenz, den Ursprung der Dinge dar. Das Äußere passt sich an das Innere an und so stellt sich eine Harmonie ein, die wir, wenn auch nur subtil, als Stärke wahrnehmen können.
Aber nicht nur die Samurai kannten dieses Prinzip. Auch heute erkennen wir in einem Menschen Stärke, wenn er seinen inneren Werten gemäß denkt, fühlt und handelt. Die Gründe, wie sich Stärke und auch viele andere Tugenden bei einem Samurai entwickeln, sind vielfältig. Hier möchte ich drei Gründe anführen, die auch für uns in der heutigen Zeit hilfreich sein können.
Ein Samurai hat ein Ideal
Was wir heute als Ideal der Samurai kennen, hat Dr. Inazo Nitobe, ein japanischer Philosoph und Abkömmling einer Samurai-Familie, im Jahr 1900 im Kodex der Samurai, dem so genannten „Bushido“ zusammengefasst. Es ist eine Sammlung von sieben Tugenden, die das Leben eines Samurai bestimmten.
Diese sieben Tugenden waren:
- Gi: Aufrichtigkeit – bedingt eine innere Prüfung seiner eigenen Handlungen gegenüber anderen unter dem Aspekt der Gerechtigkeit und Ehrlichkeit
- Yu: Mut – das Leben intensiv leben und jeden Moment auskosten, aber immer bereit sein, zu sterben
- Jin: Milde – die Tugend des Herrschenden, die ihn zu einer fürsorglichen und mitfühlenden Person macht
- Rei: Höflichkeit – eine ständige Disziplinierung seiner selbst zum Wohle des anderen
- Makoto: Ehrlichkeit, Wahrhaftigkeit – sein Wort niemals brechen und niemals lügen, denn das bedeutet Schwäche
- Meiyo: Ehre – seine Pflicht als Mensch und Krieger im besten Sinne erfüllen
- Chū: Loyalität– eine reflektierte Treue gegenüber seinem Herren und seinen Idealen
Dieser Kodex wurde nicht von einem bestimmten Samurai niedergeschrieben, vielmehr entstand er im Laufe der Jahrhunderte langen Kriegstradition. Er wurde mündlich überliefert und blühte in der Hochkultur der Samurai auf. Bis heute prägt der Bushido die Kultur Japans.
Durch dieses Ideal des Bushido erfährt der Samurai Identität, er richtet sein ganzes Leben danach aus. Er glaubt fest an diese Prinzipien und lässt sie durch nichts und niemanden entwürdigen. Für ihn ist der Bushido wie ein Gott, zu dem er eine seelische Beziehung aufbaut.
In der heutigen Zeit findet man wenig Ideale, die einen rein ideellen und zugleich identitätsstiftenden Charakter haben. Vielmehr orientieren wir uns in unseren Lebenszielen eher am Eigennutz. Wir träumen von einem angenehmen Leben oder einem schönen Haus am Land oder einer schmucken Wohnung in der Stadt. Dies sind aber alles vergängliche Vorstellungen und so vergänglich, wie sie sind, so wenig lassen sie den Menschen erstarken.
Der Samurai hatte ein Ideal, das er würdevoll umzusetzen versucht hat, das ihm Stärke verliehen hat in jeder Lebenssituation, ob in einer Krise oder in guten Zeiten. Haben auch Sie ein solches Ideal?
Ein Samurai hat ein Dojo
Ein Dojo ist ein Trainingsraum für verschiedene japanische Kampfkunststile. Übersetzt bedeutet es „Ort des Weges“. Mit dieser Übersetzung kommen wir der eigentlichen Idee schon näher.
Ein Samurai musste sich in den verschiedensten Kampfkunststilen üben, um im Kriegshandwerk fähig zu sein. Jedoch war das Dojo nicht nur ein Ort der physischen Übung. Es war ein Ort, an dem man im besten Sinne versucht hat, sich für den Weg, für den man sich entschieden hat, vorzubereiten. Es war ein Ort intensiver Arbeit mit Körper und Geist.
Für den Samurai war das Dojo ein heiliger Ort, in dem strenge Verhaltensregeln galten, die jeden Trainierenden zu einer vorbildlichen Moral zwangen. Trat ein Schüler ein, verneigte er sich zuerst und gleichzeitig sagt er zu sich selbst: „Hier nun möchte ich ernsthaft an mir selbst arbeiten, bei jeder Übung mein Bestes geben und mich in Mut, Stärke und Technik verbessern.“
Ein Dojo hat aber auch einen Meister, einen „Sensei“, wie er in Japan genannt wird. Er konfrontiert den Schüler mit immer schwierigeren Übungen, damit er seine Grenzen auslotet, sie überwindet und über sich selbst hinauswächst. Der Sensei ist aber auch jener, der auf Fehler hinweist und der immer mehr fordert. So lernt der Schüler und entwickelt sich Schritt für Schritt.
Das Dojo ist ein Ort, der ständig aufgesucht wird und wo die Überwindung seiner selbst zur dauerhaften Disziplin wird. Selbstverständlich mit der realistischen Haltung einer langsamen und kontinuierlichen Entwicklung. Es ist der Ort des Lernens, wo Fehler gemacht werden dürfen, ja sogar erwünscht sind, um dadurch ein nützliches Instrument zur eigenen Entwicklung zu sein.
Meine Frage gilt nun Ihnen: Haben Sie ein Dojo, einen Ort, an dem Sie sich geistig und physisch an Ihre Grenzen wagen, um Ihren Weg zu verwirklichen und in dem ein Sensei Ihnen dabei Vorbild und Lehrer ist?
Ein Samurai hat eine gute Erziehung
Platon wäre wohl ein großer Fan der Samurai gewesen, zumindest in Hinsicht auf ihre Erziehung. In seinem Buch „Der Staat“ beschreibt er die Erziehung der Kriegerkaste über zwei Wege, den der Gymnastik und den musisch-philosophischen Weg. Der Weg der Gymnastik erfolgt über die Ertüchtigung des Körpers und der musisch-philosophische über die Beschäftigung mit den Künsten und der Philosophie. Beide Wege gemeinsam sind es, die einen harmonischen Charakter bewirken, da die Extreme beider Seiten ausgeglichen werden.
Die Erziehung der Samurai bestand aus einem Training in Judo, Bogenschießen, Schwertkampf, Reiten, Speerwurf, aber auch den künstlerischen Elementen der Kaligrafie, der Dichtkunst, Literatur und der Philosophie. So formte man starke Krieger, die weder grobe Raufbolde noch verweichlichte Poeten waren.
Eine Figur der japanischen Samurai-Geschichte gilt wohl als besonders erwähnenswert in diesem Zusammenhang: Miyamoto Musashi, der wohl bedeutendste Samurai des 16. Jahrhunderts. Er war in über 60 Kämpfen auf Leben und Tod unbesiegt und gleichzeitig ein großer Künstler der Kaligrafie und Malerei. Seine Werke sind heute noch beliebte Sammlerstücke.
Bemerkenswert ist aber, dass Musashi den Weg der Kunst selbst entdeckte. Kein strenger Erzieher oder Vater hat ihn dazu gezwungen, sondern er selbst erkannte die Notwendigkeit der Kunst, um sich zu vervollkommnen. Schlussendlich waren es beide Elemente, das kriegerische und das künstlerische, die ihn so stark und unbesiegbar machten.
Erziehung darf man aber nicht als einen Prozess im Kindes- und Jugendalter verstehen, sondern vielmehr ist es ein ständiges Bemühen, in sich die besten Qualitäten zu aktivieren und sich selbst zu harmonisieren. Musashi darf uns hier als Beispiel dienen, denn sein Training in der Schwertkunst sowie in den künstlerischen Disziplinen verfolgte er bis ins hohe Alter.
Überlegen Sie einmal, wie viel Erziehung Sie sich selbst „gönnen“ und welches der beiden erzieherischen Elemente eher überwiegt, das der Gymnastik oder das musische?
Zu Recht könnten Sie behaupten, dass ich hier nur über das Ideal der Samurai geschrieben habe, denn der Großteil der japanischen Kriegerkaste entsprach nicht diesem Anforderungsprofil. Doch sollten wir uns an den großen Vorbildern dieses Volkes orientieren.
Gerade jetzt, wo ein Virus die gesamte Welt dominiert und uns in eine Krise stürzt, brauchen wir innere Stärke, um mit diesen Herausforderungen umgehen zu können. Die Samurai können uns ein Vorbild sein, denn sie zeigen uns, welche Möglichkeiten wir als Mensch haben. Wir müssen nur die richtigen Werkzeuge nutzen, um diese in uns herauszuarbeiten. Sei also stark wie ein Samurai.
Literaturhinweis:
SCOTT WILSON, William: Ideals of the Samurai, Writings of Japanese Warriors. USA, 1982
PRESTON, Thomas: Samurai – Geist: Der Weg eines Kriegers in den japanischen Kampfkünsten. Leimen/Heidelberg, 1991
KURE, Mitsuo und KRUIT, Ghislaine: Die Geschichte der berühmten Kriegerklasse Japans. Deutschland, Verlag Heel, 2000
NITOBE, Inazo: Bushido, Die innere Kraft der Samurai. Schweiz, 1985
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