Humor und Optimismus
Humor und Optimismus
Wie wir uns das Leben leichter lachen
Kinder lachen etwa 400 Mal am Tag. Früher taten das Erwachsene auch. Vor fünfzehn Jahren lachten Erwachsene nur mehr 15 Mal täglich. Und wie oft lachen wir heute? Ich konnte dazu nur Zahlen für Österreich finden: fünf- bis achtmal. Warum es also nicht schaden kann, bewusst öfter zu lachen … und warum davon in Zukunft unser aller Leben abhängen kann …
Wie schreibt man einen Artikel über Humor? Muss dieser nicht vor Witz und Weisheit sprühen? Und ich hadere: Warum habe gerade ich mich für diesen Artikel – freiwillig – gemeldet? Ein Clown hat mir einmal erklärt: „Will jemand besonders witzig sein, wirkt das immer furchtbar peinlich!“
Ein anderer Rat, der mir in diesem Moment einfällt: „Nimm dir vor, dich mindestens einmal am Tag so richtig zu blamieren.“ Ist aber ein Artikel der richtige Ort für solch eine Blamage? Aber jetzt verstehe ich die zweite Botschaft des oben erwähnten Clowns besser: „Wahre Komik entsteht erst aus Todesangst …“ Ich sitze also erstarrt wie eine Maus vor der Schlange angesichts der leeren Bildschirmseite meines Computers.
Ein Experiment
Jetzt kommt mir eine andere Geschichte in den Sinn: ein Experiment. Es soll veranschaulichen, ob Sie von Ihrem Partner oder von Ihrem Hund mehr geliebt werden. Anmerkung: Katzen oder Hamster eigenen sich dafür weniger!
Versuchsanordnung: Sperren Sie Partner und Hund (allenfalls auch nacheinander – je nach Größe) in den Kofferraum Ihres Autos. Öffnen Sie ihn nach einer Stunde und Sie sehen ein eindeutiges Ergebnis. Und wenn dieses Experiment vielleicht auch nicht tauglich ist, die Liebe oder Güte einer Partnerschaft gegenüber dem Vergleichshund festzustellen, so ist es ein wunderbares Experiment, um den Humor zu testen.
Stellen Sie sich also vor, Sie sind im Kofferraum eingesperrt: Was tun Sie in dieser Stunde? Woran denken Sie? Was fühlen Sie? – Die einzige Handlungsoption, die Ihnen bleibt, – zumindest nachdem Sie diesen Artikel gelesen haben, – ist, mit Humor zu reagieren. Welches Ausstiegsszenario planen Sie? – Ich meine hier nicht den Ausstieg aus Ihrer Beziehung, sondern mit welchen Worten, welcher Gestik und Mimik entsteigen Sie dem Kofferraum?
…. Raum und Zeit zum Nachdenken … (Sie haben eine ganze Stunde Zeit.)
Haben Sie etwas WIRKLICH Gutes gefunden? Gratulation, Sie sind ein humorvoller Mensch.
„Herr, schenke mir Sinn für Humor! Gib mir die Gnade, einen Scherz zu verstehen, damit ich ein wenig Glück kenne im Leben und anderen davon mitteile.“
Thomas Morus
An diesem Beispiel erkennen wir die unendlich vielen Vorteile eines humorvollen Lebens. Denn es gibt im Alltag viele Kofferräume, in denen wir uns von Menschen oder Situationen eingesperrt fühlen, – aber wir sind uns auch selbst der beste Gefängniswärter. Wir sperren uns ein, wenn wir uns selbst zu wichtig nehmen, unsere eigenen Befindlichkeiten und Bedürfnisse, unsere Sorgen und Ängste überdimensional groß werden lassen. Natürlich dürfen wir wütend sein, uns ängstigen, unsere Sorgen pflegen, die Tragik des Lebens – im Großen wie im Kleinen – ganz auskosten. Aber was bringt es? Deswegen geht der Kofferraum nicht früher auf! Es ist also einfach intelligenter, sich in dieser Zeit ein lustiges „Ausstiegsszenario“ zu überlegen. Die Zeit wird dann viel amüsanter und schneller vergehen. Garantiert!
Tragik und Tiefe des Humors
Jetzt kommt das Gegenargument der Oberflächlichkeit. Aber das greift nicht. Steigen Sie aus dem Kofferraum mit dem Witz auf den Lippen:
„Warum summen Bienen? – Weil sie den Text vergessen haben!“
Nein, das funktioniert nicht. Gerade in der Tragik und in der Selbstbetroffenheit der Situation müssen Sie wirklich in die Tiefe gehen. Der Humor, den Sie hier brauchen, wird aus dem Grunde Ihres Herzens und Denkens geboren und nicht an der Oberfläche.
Wir können sagen: Das Leben ist ein Spiel. Wir nehmen selbst Spiele meist zu ernst. Wie dann erst das Leben! Aber es geht um eine gewisse Leichtigkeit, eine spielerische Freude, einen Kitzel der Herausforderung und nicht (nur) um die Tragik der Ereignisse. Selbst der Tod kann uns zu Humor veranlassen.
Es läutet an der Türe einer altehrwürdigen Wiener Dame. Sie öffnet und sieht einen winzigen Tod vor sich stehen. „Nein, bittscheen noch nicht. Ich will noch nicht! Ein bissl noch, bitte!“ – „Keine Sorge, gnä´ Frau. Diesmal hol ich nur Ihren Hamster!“
Oder eine Schlagzeile, die zu meinen besonderen Lieblingswitzen gehört:
„Hubschrauber über dem Wiener Zentralfriedhof abgestürzt. 300 Leichen bereits geborgen!“
Und ein angeblich aus dem Leben gegriffener Ausspruch:
Die Todesstrafe soll vollzogen werden. Die Beamten holen den Verurteilten ab, – vermutlich an einem Montag. Dieser sagt: „Die Woche fängt ja gut an!“
Und noch ein Witz zum Thema Tod – ein unfreiwilliger Versprecher einer österreichischen Politikerin voller Pathos in Coronazeiten: „Wie viele Tote müssen noch sterben?“
Fast in jedem Witz steckt eine gehörige Portion an Tragik.
„Zwei Jäger treffen sich.“
Oder ein wenig subtiler:
Fuchs, Hase und Bär müssen zur Musterung. Sie wollen aber nicht einrücken. Der Fuchs schneidet sich die Lunte, der Hase die Ohren ab und der Bär reißt sich seine Zähne aus. Fuchs und Hase kommen glücklich zurück, aber der Bär ist verzweifelt. Zahnlos lispelt er: „Zu groß und zu dick!“
Hier taucht auch das wichtige Thema der fehlgeschlagenen Erwartungen auf. Im Witz erwartet man immer etwas, aber diese Erwartung trifft eben nicht ein. Da ist es schon egal, ob es der Bär ist oder der Zuhörer. Wichtig ist die Enttäuschung im besten Sinne des Wortes, das Unerwartete und nicht zu Erwartende. Aber auch hier gleich noch eine Enttäuschung: Witz ist nicht gleich Humor. Beim Witz lachen wir über meist anonymisierte andere und freuen uns, dass es diesmal wenigstens nicht uns betroffen hat. Aber Humor ist die Fähigkeit, über uns selbst zu lachen. Und Humor ist auch nicht Spott, sondern er hat etwas Weises an sich – ohne Hass, Rache oder Bösartigkeit.
„Alles hat drei Seiten: eine positive, eine negative und eine komische.“
Karl Valentin
Passieren uns nicht manchmal Dinge im Leben, die in der besten Slapstickkomödie vorkommen könnten? Lachen wir darüber, denn das Tragische ist ohnehin schon passiert. Ein weiser Narr namens Karl Valentin hat dieses Phänomen so erklärt: „Alles hat drei Seiten: eine positive, eine negative und eine komische.“ Die negative Seite drängt sich meist von selbst auf. Machen wir uns aber ganz bewusst auf die Suche nach der positiven und der komischen.
Tabus und warum nur der Hofnarr die Wahrheit sagen darf
In Humor und Witz tut sich oft (verborgene) Wahrheit auf. Daher sind Witze von Natur aus nicht politisch korrekt, sie berühren sehr oft Tabus. Sie sprengen Grenzen des Denkens und können auch die Absurdität von Haltungen und Meinungen offenbar machen. Hierzu zähle ich auch die Wortwitze, die aufzeigen, wie oft wir gedankenlos Begriffe verwenden wie hier:
Eine Blondine: „Ich bekomme eine Vollholzküche!“ Die andere Blondine nachdenklich: „Und wo gibst du das Geschirr hin?“
Ich erinnere mich hier auch an einen Witz, der vor etlichen Jahren die österreichische Politik erschütterte:
Eine weiße und eine schwarzafrikanische Mutter sitzen in einem Zugabteil. Ihre Säuglinge werden hungrig und sollen die Brust bekommen. Sagt das weiße Baby: „Mama, ich hätte auch gerne einmal Kakao!“
Dieser Witz ist harmlos, nicht diskriminierend und doch darf er heute nicht mehr erzählt werden. Verlieren wir dadurch à la longue als Gesellschaft den Humor? Irgendwann werden keine Beamten-, Ärzte-, Politikerwitze u. s. w. mehr erzählt werden dürfen. Zigeuner- und Indianerwitze sind derzeit wohl schon tabu.
Aber wir erkennen auch, dass die Witze eng verknüpft sind mit kollektiven und individuellen Themen. In Abwandlung eines bekannten Sprichwortes formuliere ich daher: Verrate mir deinen Lieblingswitz und ich sage dir, wer du in Wahrheit bist. Überprüfen Sie das bei sich selbst und bei Freunden. Sie werden staunen. Witz und Humor enthüllen unser Inneres. Aber weil die Wahrheit in ein Lächeln gehüllt ist, tut sie nicht so weh.
„Humor ist einer der wichtigsten Schlüssel zu innerer Freiheit!“
Michael von Brück
Humor – nicht nur um das Leben leichter zu lachen
Bloß das Leben leichter zu lachen, wäre wohl bei aller philosophischer Betrachtung zu wenig. Ja, es ist ein angenehmer Nebeneffekt. Aber Humor ist viel mehr. Der französische Philosoph André Comte-Sponville (in seinem Buch: Ermutigung zum unzeitgemäßen Leben – Ein kleines Brevier der Tugenden und Werte) geht sogar so weit, Humor als Tugend zu bezeichnen. Denn er verleiht Leichtigkeit, Abstand von Problemen und dem eigenen Ich, sprengt Grenzen des Gewohnten und Althergebrachten und eröffnet so neue Perspektiven und Möglichkeiten.
Wenn wir angesichts von Corona, Krieg und Klimawandel wie die oben erwähnte Maus vor der Schlange erstarren, so können wir nichts dagegen tun. Auch dazu gibt es einen Witz:
Treffen sich im Weltraum die Erde und ein Komet: „Wie geht es dir, Erde?“ – „Schlecht! Habe Homo sapiens!“ Der Komet antwortet lächelnd: „Ach was, das geht vorüber!“
Aber in Zeiten wie diesen reicht es nicht, bloß auf Zeitablauf zu setzen. Jedes Gefühl der Ohnmacht und des Opferseins führt in Passivität, Verzweiflung und Stress. Wir könnten stattdessen alle gemeinsam das Rezept für die „Bessere-Welt-Suppe nachkochen:
Man nehme je 500 g Eigeninitiative und Verantwortungsgefühl, 200 g Toleranz, füge 4 EL Mut dazu, schmecke das Ganze ab mit einer Brise Menschenliebe, würze mit Wille und Ausdauer und verfeinere am Schluss mit einem Schuss Humor.
Humor gibt uns Kraft und innere Freiheit. Denken wir uns und die Welt neu und legen wir einfach los. Nutzen wir diese gewonnene Kreativität in uns, denn humorlose Pessimisten haben noch nie die Welt verändert.
Ohne Optimismus geht der Wille zur Gestaltung der Zukunft verloren.
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