Leonardo da Vincis 7 Schlüssel zum Erfolg

Denken-lernen wie ein Genie

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einer Zeit um Jahrhunderte voraus, skizzierte Leonardo da Vinci Hubschrauber, Flugmaschine, Fallschirm, Fahrrad, U-Boot und Taucherausrüstung. Er konstruierte Bewässerungsanlagen, Pumpen und Kriegsmaschinen (obwohl ihm der Krieg zuwider war) und schuf beeindruckende Gemälde wie die Mona Lisa oder das Letzte Abendmahl. Was war das Geheimnis seines Erfolges?

Leonardo war das uneheliches Kind eines Notars und einer Bauerntochter. Er ging als Maler und Bildhauer in die Lehre. Doch schon bald übertraf der Schüler seinen Meister del Verrocchio und kam in Kontakt mit dem größten Kunstmäzen der damaligen Zeit: Lorenzo de Medici, welcher dem jungen Leonardo Zugang zum erlauchten Kreise der Renaissancephilosophen, Mathematiker und Künstler der damaligen Zeit ermöglichte. Doch Leonardo führte ein unstetes Leben im Dienste vieler Mäzene und Auftraggeber, die vielfach untereinander verfeindet waren. Geld und materieller Besitz waren ihm nicht wichtig, lediglich die Möglichkeit, tiefer zu forschen und immer größere Kunstfertigkeiten umzusetzen.

© Anatoly Maslennikov | Dreamstime

 

1. Schlüssel: Curiosità = Stets neugierig sein

Was wäre ein Forscher ohne Neugierde? Und Leonardo war ein Forschergeist durch und durch:

„Ich durchstreifte die Landschaft auf der Suche nach Antworten auf Phänomene, die ich nicht verstand. Warum es auf Berggipfeln Muscheln gibt oder Abdrücke von Korallen, Pflanzen und Seegras, die man gewöhnlich nur im Meer findet. Warum der Donner länger währt als das, was ihn verursacht, und warum der Blitz im Augenblick seines Entstehens sichtbar ist, während der Donner Zeit braucht, um bis zu unserem Ohr zu reisen …“

Er hinterfragte vieles und trug seine Ideen in ein Notizbuch ein, welches er stets bei sich hatte. 7000 Seiten sind erhalten, wobei wohl weitere Tausende Seiten verloren gegangen sind. Diese Notizbücher sind ein kreatives Sammelsurium von Ideen, Geschichten, Beobachtungen, Skizzen, philosophischen Gedanken und Zitaten. Welche Fragen haben Sie? Ist der Forscher in Ihnen, das fragende und staunende Kind noch lebendig?

Übung:

Tragen Sie ein Notizbuch mit sich bzw. führen Sie ein Tagebuch: Was haben Sie heute gelernt? Was beschäftigt Sie? Worüber haben Sie intensiver nachgedacht?

© Orangesquid | Dreamstime

2. Schlüssel: Dimostrazione = Eigene Erfahrungen sammeln

Um Anatomie zu studieren, sezierte er mehr als dreißig menschliche Leichen und unzählige Tierkörper. Er machte es sich auch zur Gewohnheit, die Objekte seiner Studien von drei unterschiedlichen Blickwinkeln zu zeichnen, wodurch er alle Proportionen besser beherrschen lernte. Durch eigenständiges Studium und konsequente Übung erlangte er die Meisterschaft, die seine Zeichnungen so lebensecht erscheinen lässt.
Bei seinen Forschungen entdeckte er so manches, was damals unbekannt war, wie z. B. den Blutkreislauf sowie verdickte Arterien, die sogenannte Arteriosklerose, die er als eine Todesursache bei alten Menschen diagnostizierte. Dass seine Forschungen auf Widerstand stießen, hielt ihn nicht davon ab. Neben der Zeichnung eines Pfluges in seinem Notizbuch vermerkte er:

„Ich weiche nicht von meiner Furche ab!“ und andernorts: „Hindernisse vermögen mich nicht zu beugen.“

Übung:

Prüfen Sie Ihre Überzeugungen: Was denken Sie über die Natur des Menschen, über Ethik, Politik, den Sinn des Lebens etc. Woher kommen die Überzeugungen? Sind es die eigenen oder fremde?

 

3. Schlüssel: Sensazione = Mit unseren Sinnen aufmerksam wahrnehmen

Wie viel Schönheit ist um uns und wie viel davon nehmen wir wahr? Auch in einer Stadt gibt es den Himmel, die Sonne, ein schönes Gebäude, die Tiefe in den Augen des Gegenübers, den Baum, der zum Himmel strebt etc. Wie viel Aufmerksamkeit schenken wir dem gegenwärtigen Moment? Die folgenden Worte von Leonardo könnten genauso gut von einem Zen-Meister stammen:

„Der Durchschnittsmensch schaut, ohne zu sehen, hört. ohne zuzuhören, berührt, ohne zu fühlen, isst, ohne zu schmecken, bewegt sich, ohne sich dessen bewusst zu sein, atmet, ohne Geruch oder Duft wahrzunehmen und spricht, ohne zu denken.“

Leonardo geht aber noch einen Schritt weiter, indem er sagt, dass es etwas gibt, was den Sinnen übergeordnet ist:

„Die Vorstellungskraft ist den Sinnen sowohl Ruder als auch Zügel und bewegt die Sinne.“

Stellen Sie sich nun die Mona Lisa nicht mit einem Schnurrbart vor! Was, Sie haben es doch getan? Dann war Ihre Vorstellungskraft schneller als das Verbot in Ihrem Kopf. Alles, was wir uns vorstellen, hat einen starken Einfluss auf unsere Psyche – positiv wie negativ. Wünsche und Bilder in unserem Kopf wollen sich manifestieren – denken Sie an die Werbung! Und eine Vielzahl von Emotionen und Gedanken sind uns nicht bewusst und beeinflussen massiv unsere Psyche und dadurch auch die Art und Weise, wie wir die Welt wahrnehmen. Leonardo empfiehlt, die Vorstellungskraft bewusst einzusetzen, statt sich unbewusst von Fantasien treiben zu lassen.

Übung:

  • Suchen Sie sich einen Sinn aus, dem Sie für einen Tag besondere Aufmerksamkeit schenken,: z.B. den Sehsinn: Nehmen Sie bewusst Lichtstimmungen wahr, die Augenfarbe des Gegenübers, die Farbe der Kleidung von Ihnen und anderen, den Himmel …
  • Visualisieren Sie Dinge, mit denen Sie am nächsten Tag zu tun haben werden. Stellen Sie sich vor, wie Sie die Herausforderungen der Zukunft meistern werden: mit Ruhe, Effizienz oder anderen Qualitäten, die Ihnen wichtig sind.

 

4. Schlüssel: Sfumato = Das Mehrdeutige akzeptieren

„Sfumato“ bedeutet wörtlich „in Rauch aufgehen“. Kunsthistoriker beschreiben damit die verschwommenen und mysteriösen Komponenten, die Leonardos Kunstwerke kennzeichnen, welche er durch das Auftragen hauchdünner Farbschichten erreichte. Die Mona Lisa oder auch das Bildnis Johannes des Täufers umspielt etwas Geheimnisvolles, das vieles für die Interpretation des Betrachters offenlässt.
Ähnlich verhält es sich in vielen Situationen im Leben: Was ist gut? Was ist schlecht? Der Weise sieht die Welt nicht schwarz-weiß, sondern erkennt in allen Situationen mehrere Schattierungen.

Übung:

  • Meditieren Sie über das Bild der Mona Lisa: Was sagt sie Ihnen? Lächelt sie oder schaut sie ernst? Drückt sie Mitgefühl oder Grausamkeit aus, Verführung oder Unschuld?
  • Denken Sie an eine schmerzhafte oder schwierige Situation in Ihrem Leben oder in der Welt: Welche positiven Auswirkungen hat sie? Was kann dadurch entstehen?

 

5. Schlüssel: Arte/Scienzia = Gleichgewicht zwischen Kunst und Wissenschaft

Wir leben heute in Zeiten der Spezialisierung. Schon in der Mittelschule müssen sich Kinder entscheiden, ob sie einen sportlichen, künstlerischen oder technischen Weg einschlagen wollen. Leonardo hatte als Renaissancemensch das Ideal des „uomo universale“, des ganzheitlich gebildeten Menschen. Er war Wissenschaftler und Künstler zugleich, war Maler, Ingenieur, Geograf, Mathematiker, Musiker und Philosoph. Aus der Hirnforschung ist bekannt, dass technische Tätigkeiten zu einer Aktivität der linken Gehirnhälfte führen, während Kunst die rechte Gehirnhälfte aktiviert. Leonardo war Linkshänder (was für eine starke Aktivität der rechten Gehirnhälfte spricht), war aber als Ingenieur auch äußerst strukturiert und analytisch. Er vereinte also beide Qualitäten, dachte ganzheitlich. Seine Schüler spornte er zu beiden Disziplinen gleichermaßen an:

„Studiere die Wissenschaft der Kunst und die Kunst der Wissenschaft.“

Durch dieses ganzheitliche Denken erfasste er erst wirklich das Wesen einer Sache, die er dann künstlerisch oder technisch zum Ausdruck brachte.

Übung:

Experimentieren Sie mit Mindmaps, welche linke und rechte Gehirnhälfte gleichermaßen aktivieren: Wenn Sie eine Präsentation vorbereiten, Ihre Woche planen oder ein Problem lösen wollen. Notieren Sie den zentralen Begriff in die Mitte eines leeren Blattes und zeichnen Sie ein passendes Symbol oder Bild dazu. Davon ausgehend können Sie mit verschiedenen Farben Verzweigungen mit Notizen zu Ihren Gedanken in Verbindung mit weiteren Zeichnungen oder Symbolen anbringen.

 

6. Schlüssel: Corporalità = Geschicklichkeit, Anmut und Gesundheit bewahren

Der Zeitzeuge Vasari bekundet die große physische Kraft und die körperliche Schönheit, die Leonardo auszeichnete:

„seine schier unendliche Anmut der Bewegung und seine erstaunliche Kraft, mit der er imstande war, jedes durchgehende Pferd aufzuhalten“.

Für Kraft, Gesundheit und Geschicklichkeit tat er auch etwas: Er legte Wert auf bewusste Ernährung (war selbst Vegetarier), übte sich regelmäßig in Reiten, Fechten und anderen Sportarten. Er trainierte das Zeichnen und Schreiben auch mit der nicht dominanten Hand, um seine Geschicklichkeit zu steigern und genoss maßvoll Speis und Trank.

„Wenn du gesund sein willst, dann lass dir also raten: Iss niemals ohne Hunger, nur leichte Kost und Speise, und kaue gut (…) Erhole deinen Geist, versuch ihm Heiterkeit zu geben. Vermeide Völlerei und übe Mäßigkeit im Leben.“

Übung:

Üben Sie sich in „Beidhändigkeit“: Führen Sie gewisse Alltagshandlungen wie Zähneputzen, Essen, Reinigen oder Zeichnen mit der nicht dominanten Hand durch, um Ihre Geschicklichkeit zu fördern.

 

7. Schlüssel: Connessione = Die Zusammenhänge erkennen

Der Künstler Leonardo wurde zum Philosophen, wenn er mit seinem aufmerksamen Künstlerauge die vielen Ähnlichkeiten und Zusammenhänge im Universum beschrieb. Er vermerkte in seinen Notizbüchern die Ähnlichkeit der Bewegungen der Wasserwirbel mit den Bewegungen der Haarlocken im Wind, die Bewegungen beim Schwimmen mit jenen der Vögel in der Luft oder das Blut in unseren Adern mit dem Wasser auf der Erde:

„Der Mensch wurde von den Vorfahren eine Welt im Kleinen genannt (ein Mikrokosmos) … Wie der Mensch die Knochen als Stützen und Gerüst des Fleisches in sich hat, so hat die Welt das Gestein als Stütze der Erde… Wie vom Blutsee die Adern ausgehen …, so speist das Weltmeer den Körper der Erde durch unzählige Wasseradern.“

Seine philosophischen Gedanken ähneln jenen von Mystikern, wenn er schreibt:

„Alles kommt von allem und alles wird zu allem und alles kehrt in alles zurück.“

Übung:

Was bedeutet Ganzheit für Sie? Versuchen Sie, Ihre Vorstellung von Ganzheit in einer Zeichnung oder Mindmap zum Ausdruck zu bringen. Übertragen Sie das auf Ihr Leben: Wie können Sie unterschiedliche Aufgaben, Rollen und Tätigkeiten im Sinne der Einheit ausführen?

 

 

Das Renaissanceideal des „uomo universale“, des ganzheitlich gebildeten Menschen, ist heute wichtiger denn je. Angesichts von Wissensflut und Spezialisierungswahn verlieren viele das Ganze aus dem Blick. Das Beispiel von Leonardo kann Ansporn sein, diesen ganzheitlich gebildeten Menschen anzustreben. In jedem steckt auch ein Künstler, ein aufmerksamer Betrachter, ein neugieriger Forschergeist und ein Philosoph und Mystiker, der erweckt werden kann!


Literaturhinweis:

Michael J. Gelb: How to Think Like Leonardo da Vinci: Seven Steps to Genius Every Day, Dell Verlag, 2000

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